Tagessatz

42: Die Antwort auf alles?

Die 42 ist zwar laut Douglas Adams die Antwort auf die allumfassende Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest, aber tatsächlich auch für uns Selbstständige in der Veranstaltungswirtschaft nicht unerheblich. Ein Plädoyer für mehr Mut und unternehmerisches Handeln bei der Gestaltung der Tagessätze.

Ich liebe meinen Job. Ich denke das ist ein Satz, der unsere Branche stark von vielen anderen unterscheidet. Wir alle sind nicht nur stolz auf das, was wir tun, wir bringen Leidenschaft mit auf jedes Konzert, auf jede Konferenz, jede Veranstaltung an der wir beteiligt sind. Doch genau diese Liebe und Leidenschaft ist es auch, die mit dafür gesorgt hat, dass wir uns selbst in die Rolle von Geringverdienern mit der Perspektive Altersarmut gebracht haben.

Die 42 bezieht sich auf einen Stundensatz, der in einem Urteil (B 12 R 7/15R) des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) dazu führte, dass ein von der Deutschen Rentenversicherung als scheinselbständig eingestufter Heilpädagoge erfolgreich gegen diesen Status vorgehen konnte.

Das Gericht kam zu dem Urteil, dass „dem Honorar (…) im Rahmen der Einzelumstände eine besondere Bedeutung zu (kam)“. Dieses Honorar von 40,-€ bis 41,50 € je Betreuungsstunde lag „deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten Arbeitnehmers“ und ließ „dadurch Eigenvorsorge zu“, ein, so das Gericht, „gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit“. Dies zeigt, dass es bei dem Thema Tagessätze mehr Punkte als nur die monatlichen Fixkosten zu beachten gibt. Leider sind die meisten SEUs in der Branche bei den aktuellen Tagessätzen in der Regel von 42,-€ pro Stunde weit entfernt.

Das Einkommen eines Selbstständigen muss nicht nur die monatliche Miete, Strom, Gas und Wasser abdecken, nicht nur Telefon und Internet, nicht nur den Lebensunterhalt und die Krankenversicherung.

Es muss vor allem auch Haftpflichtversicherungen und Altersvorsorge in einem Maße enthalten, dass einen nicht im Rentenalter mit ALG2 dastehen lässt.

Und nicht zu vergessen: Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Buchhaltung, Rücklagen für auftragsarme Zeiten, Steuerberater. Außerdem bedeutet unternehmerisches Handeln auch, dass die Firma Gewinn erwirtschaften sollte.

Bisher in dieser Aufstellung noch überhaupt nicht vorgekommen übrigens sind Kinder. Auch wer keine hat, kann nicht erwarten auf einmal einen deutlich höheren Tagessatz als bisher bei seinen Kunden durchsetzen zu können, wenn eine Elternschaft naht.

Dementsprechend muss auch die Möglichkeit Eltern zu werden in den Tagessatz mit eingepreist sein. Und nicht zuletzt ist die Bezahlung auch ein deutliches Indiz für den Status „Selbstständig“, wie das BSG feststellte.

Ein häufiger Fehler bei der Berechnung des Tagessatzes ist die Fehleinschätzung der wirklich fakturierbaren produktiven Tage.

Sehen wir uns einmal die 365 Tage eines Jahres an, so müssen folgende Tage abgezogen werden:

  • freie Tage (ca. 115 Tage). Bei uns eher selten Sonn- und Feiertage, aber die Anzahl muss trotzdem dieselbe sein.
  • Urlaub (20 Tage)
  • Krankentage (14 Tage)
  • 44 Tage für Akquise und Marketing (1 Tag je Arbeitswoche)
  • 44 Tage für Arbeit am Unternehmen und Administration (Rechnungen schreiben, Buchhaltung,   Fortbildung, 1 Tag je Arbeitswoche)

Das macht in Summe 237 Tage des Jahres, in denen kein Geld erwirtschaftet werden kann.

Es bleiben 128 Tage übrig, also pro Monat 10,67 Tagessätze, die das Einkommen erwirtschaften müssen.

Wird in einem Monat deutlich mehr gearbeitet, so muss sich das auch in einem Mehreinkommen widerspiegeln.

Ein weiteres oft angebrachtes Argument ist, dass der Markt ja keine höheren Tagessätze zulassen würde. Und genau hier beginnt der Teil mit dem Mut.
Man stelle sich einen Supermarkt vor, der seine Preise durch die Kunden bestimmen lassen würde – das Ende des Supermarktes wäre nah.
Und nun stelle man sich vor, der Käufer kommt mit dem Argument, er habe nicht so viel Budget, in unserer Branche zum Beispiel Veranstalter in Clubs. Natürlich kann man immer verhandeln, aber es kann und darf nicht zu unserem Nachteil werden, wenn Kunden sich bestimmte Dienstleistungen in Wirklichkeit nicht leisten können und wir diese Last in Form eines geringen Tagessatzes auf uns nehmen.
Leider ist es in der Vergangenheit oft zum Usus geworden, dass unsere Kunden uns den Preis diktieren. Und es liegt an uns ob wir uns, dem beugen oder nicht. Natürlich ist da Fingerspitzengefühl gefragt, niemand hat etwas davon, seine Kunden zu verprellen.

Aber die Erfahrung zeigt eben auch, dass das Geld vorhanden ist und viele Kunden sogar bereit wären mehr zu zahlen, wenn nur darauf bestanden würde.
Nun ist es natürlich immer schwer, gewachsene Strukturen zu verändern. Aber der Shutdown   unserer Branche bietet eine einmalige Chance: eine Restrukturierung des Preisgefüges.
Und zwar nicht gegen unsere Kunden, sondern mit ihnen zusammen.

Es ist wichtig zu verstehen: Tagessätze sind nicht in Stein gemeißelt.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass jährliche kleine Preiserhöhungen von 10-20 € die wenigsten Bestandskunden abschrecken. So kann man eine langsame aber stetige Preisentwicklung in Gang bringen, die die Kunden nicht überfordert, aber dennoch das Preisniveau nach oben bringt.
Bei Neukunden kann man in der Regel deutlich besser höhere Tagessätze ansetzen. Natürlich wird es hier und da mal Kunden geben, die dann sagen, dass es Ihnen zu teuer ist, aber auch da kommt der Mut ins Spiel: es ist kein Drama, mal einen schlecht bezahlten Auftrag nicht zu bekommen, weil man zu teuer war. Im Gegenteil, es eröffnet durch geschickte Unternehmerische Verhandlungen die Möglichkeit einen Auftrag anzunehmen, der besser bezahlt ist.

Und zu guter Letzt sollten wir auch eines nicht vergessen: unsere Arbeit hat auch einen Wert.

Den vergessen wir aber immer wieder viel zu oft. Vielleicht liegt es daran, dass wir es immer gewöhnt waren, im Verborgenen zu arbeiten. Im Endeffekt bestand ein nicht geringer Teil unseres Jobs auch immer daraus, dass möglichst niemand überhaupt wirklich bemerkt was wir tun. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass unsere Arbeit keinen Wert hat, im Gegenteil!

Und auch dieser Wert muss in der Bezahlung widergespiegelt werden.

Dass es da weiterhin ein Gefälle geben wird, ist nur vernünftig, schließlich muss sich bessere Leistung, höhere Erfahrung und größere Verantwortung auch im Tagessatz wiederfinden.
Ein geringer Tagessatz strahlt dagegen auch immer eine weniger hochwertige Leistung aus.

Lasst uns gemeinsam mutig sein, für eine faire und angemessene Bezahlung in der Veranstaltungswirtschaft!

Unter folgendem Link könnt ihr die ZIP-Datei des ISDV-Tagessatzrechenrs herunterladen.
In dem ZIP ist eine Excel-Datei, eine Numbers-Datei und ein Erklärungstext.

Wir danken Lewe Redlin und Bertram Zimmermann für die Erarbeitung von Text und Tagessatzrechner!

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